Lieblingsbücher, Rezensionen und Leseprojekte

Schlagwort: Indiebooks

Jami Attenberg: Ist alles deins! 

Ein multiperspektivisches Porträt einer Familie, die am Abgrund steht – oder vielleicht ist sie auch schon lange hineingestürzt? Jami Attenberg blickt tief in den diesen Abgrund, als der Familienpatriarch Viktor nach einem Herzinfarkt auf der Intensivstation im Sterben liegt. Und dafür braucht sie nur einen einzigen Tag, in dessen Verlauf wie im Kaleidoskop Verletzungen, Intrigen und Erinnerungen aufbrechen und durcheinandergewirbelt werden.

Tatiana Țîbuleac: Der Sommer, als Mutter grüne Augen hatte

Aleksy hasst seine Mutter und das so sehr, dass es als Leser:in zunächst fast unerträglich ist. Ein gemeinsamer Sommer in Frankreich, über dem der nahende Tod der Mutter schwebt, soll aussöhnen und vergeben lassen. Diese Erzählung ist so gewaltig, intensiv und dicht, dass es beinahe unglaublich scheint, dass Tatiana Țîbuleac hierfür noch keine 200 Seiten braucht. Eine Wucht, die uns atemlos und voller Emotion zurücklässt. 

Alix Kates Shulman: Erfahrungen eines schönen Mädchens

Sasha ist schön, sie ist klug, sie ist eine junge Frau, die hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Denn ihre Möglichkeiten bewegen sich in einem engen Rahmen, nämlich dem Leben Lebens als Frau in den 50er- und 60er-Jahren. Dass die Perspektiven eines schönen Mädchens nicht besser sind als die eines weniger schönen, sondern lediglich anders, zeigt Alix Kates Shulman beeindruckend in diesem feministischen Klassiker.

Jessica Lind: Mama

Amira möchte ein Kind. Josef ist sich nicht so sicher. Der Kinderwunsch dominiert und belastet ihre Beziehung mehr und mehr. Die beiden verbringen ein Wochenende in der abgelegenen Hütte von Josefs verstorbenen Vater in den österreichischen Bergen. Doch statt der gewünschten Harmonie und Klärung entwickelt sich ein zunächst subtiler Horror. Jessica Lind hat ein beeindruckendes Debüt geschrieben, das mich voll und ganz in den Bann gezogen hat.

Ava Farmehri: Im düstern Wald werden unsre Leiber hängen

Eine zwanzigjährige Frau wartet im Iran auf ihre Hinrichtung. Eingesperrt in einer Zelle, ohne den Himmel zu sehen, ohne Uhrzeit. Allein. Ihr Geständnis, die eigene Mutter getötet zu haben, ist umfassend und sie ist bereit, das Todesurteil zu akzeptieren. Isoliert in ihrer Zelle sinniert sie über ihre Kindheit und Jugend im Iran nach der islamischen Revolution. Über Freiheit und Unfreiheit, die Rolle des Vaters, ihr Verhältnis zu Mensch und Natur, den Wunsch nach Erlösung. Und das ist schlicht brillant.

Ann Petry: Country Place

Johnny kommt aus dem Zweiten Weltkrieg zurück. Zurück in die Heimat, einem kleinen Ort in Connecticut. Als verdienter Veteran kann er es nicht abwarten, seine Eltern und seine Ehefrau Glory wieder in die Arme zu schließen. Doch schon auf der kurzen Taxifahrt vom Bahnhof zum Elternhaus wird im klar, dass die Idylle, die er sich in den Jahren der Abwesenheit ausgemalt hat, wohl mehr seiner Fantasie als der Realität entsprungen ist. Ann Petry hat bereits 1947 mit “Country Place“ ein erschütterndes und eindringliches Porträt der amerikanischen Provinz zur Nachkriegszeit erschaffen, das nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt.

Nastassja Martin: An das Wilde glauben

Die Anthropologin Nastassja Martin wird während einer Expedition auf der Insel Kamtschatka von einem Bären in den Kopf gebissen und überlebt schwer verletzt. In „An das Wilde glauben”, nimmt sie uns mit auf die Reise ihrer Genesung und lässt uns Teilhaben an Kultur und Weltanschauung der Ewenen, dem indigenen Volk, mit dem sie über lange Perioden zusammenlebt und in deren Leben sie tief eintaucht.

Mieze Medusa: Du bist dran

Suchen wir nicht alle nach unserem Platz im Leben? Manche finden ihn ganz schnell, andere brauchen ein bisschen länger. Bestimmt wechseln die meisten von uns diesen sagenumwobenen “Platz im Leben” auch immer mal wieder oder verrücken ihn ein wenig in die eine oder andere Richtung. Genau darum geht es im Debütroman “Du bist dran” von Mieze Medusa: Drei Protagonist:innen, die in ganz unterschiedlichen Lebensphasen den Platz im Leben suchen.